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Dr. Christiana Fischer

LIPÖDEM GANZHEITLICH BEHANDELN (meine Sicht als Arzt & Coach)

Aktualisiert: 27. Apr. 2022


Lipödem ganzheitlich behandeln
Ein Steg in einem ruhigen Wasser - als Sinnbild des Weges zur Leichtigkeit beim Lipödem

Während meiner ärztlichen Tätigkeit habe ich viele Frauen mit Lipödem betreut. So habe ich viel über die inneren und äußeren Themen der Betroffenen lernen können und meine Art der ganzheitlichen Begleitung herausgearbeitet.

Ich möchte im Folgenden neben den medizinischen Fakten zu dieser Erkrankung auch auf unterschiedliche Aspekte der Behandlung und Unterstützung eingehen.


HINTERGRUND

Das Lipödem ist eine chronische Erkrankung, die fast ausschließlich Frauen betrifft – nach manchen Schätzungen sind bis zu 8 % der weiblichen Bevölkerung betroffen. Häufig leiden mehrere weibliche Familienmitglieder daran – es scheint in ca. 60 % der Fälle vererbbar.

Nicht selten wird das Lipödem in der Pubertät, der Schwangerschaft oder bei Einnahme der Pille, sowie in den Wechseljahren schlechter (also in Phasen, in denen sich die weiblichen Hormone im Körper ändern).


BESCHWERDEBILD

Klassischerweise berichten die betroffenen Frauen über Schmerzen in den Beinen, eine Neigung zu blauen Flecken und eine disproportional, aber symmetrische Gewichtszunahme mit einem beinbetonten Übergewicht, was nur sehr schwer wieder abgenommen werden kann. Das Fettgewebe erscheint grobknotig, die Hautoberfläche dellig. In erster Linie sind die Beine (v.a. die Oberschenkel) und Hüften betroffen, in manchen Fällen weitet sich das Lipödem jedoch auch auf die Arme oder den Bauch aus.


Das Lipödem wird in drei Stadien unterteilt, wobei es auch Zwischenformen gibt, genauso wie Mischformen mit anderen Erkrankungen vorkommen. Häufig besteht gleichzeitig bzw. begleitend eine Beteiligung des Lymphsystems – ein sog. Lipo-Lymphödem. Auch wenn diese Erscheinung laut der offiziellen Liste der medizinischen Diagnosen nicht existiert, stellt sie ein sehr häufiges Begleitphänomen dar. Ein zusätzliches Einbeziehen des Lymphsystems lässt sich ganz einfach daran feststellen, dass im Gegensatz zum reinen Lipödem, was Füße bzw. Hände ausspart, hier die Zehen ebenfalls geschwollen sind (sog. „Stemmer-Zeichen“). Darüber hinaus ist das Lymphödem häufiger einseitig. Dass es so häufig zur Entstehung eines Lymphödems in Zusammenhang mit einem Lipödem kommt, erklärt man sich durch eine erhöhte Brüchigkeit der Gefäße beim Lipödem. Dies ist auch ein Grund für die vermehrten Hämatome.

Daneben lassen sich Befunde und eigenständige Krankheitsbilder wie z.B. eine Cellulite, eine reine Adipositas oder ein per se schmerzenden Fettgewebe (sog. Lipomatosis dolorosa) abgrenzen.

Wie wenig präzise und aussagekräftig der Body-Mass-Index (BMI) als Maßeinheit zur Unterscheidung bzw. Einteilung der Stadien und Erkrankungen ist, lässt sich nun besser nachvollziehen.


Die Symptomatik kann von Frau zu Frau vollkommen unabhängig vom jeweiligen Stadium belastender oder auch leichter ausfallen. Neben den sehr häufig vorhandenen Schmerzen bei Berührung und dem Gefühl schwerer Beine, was sich beides im Tagesverlauf meist steigert, leiden sehr viele Frauen an ihrem optischen Erscheinungsbild. Da dieses von außen schwer von einer reinen Adipositas zu unterscheiden ist, führt es nicht selten zu einer sozialen Stigmatisierung – auch, und dies finde ich besonders traurig, einer Stigmatisierung durch medizinisches Personal. Durch all diese Erfahrungen verfestigt sich die innere Stimme, die das eigene Scheitern beim Abnehmen und die Reaktionen der Außenwelt als Bestätigung der Unveränderlichkeit des eigenen Zustands auf- und annimmt und so weiter den eigenen inneren Kritiker befeuert. Hinzu kommt eine starke Angst vor einem weiteren Schub mit Fortschreiten der Erkrankung.


DAS LIPÖDEM ERKENNEN

Tatsächlich vergehen von den ersten Anzeichen des Lipödems mit eventuell etwas verdickten Waden und weiteren Symptomen wie der unerklärlichen Zunahme von Gewicht und Fettgewebe mit damit einhergehenden inneren Kämpfen der Betroffenen bis zur Diagnose bei einem erfahrenen Arzt (die Diagnose Lipödem fällt in den Fachbereich der Phlebologie) oder Therapeuten häufig immer noch mehrere Jahre. Letztendlich wird das Lipödem durch den geschulten Blick erkannt, ggf. ein Kneiftest gemacht und eine Untersuchung mittels Ultraschall angeschlossen, die aber eigentlich keine zusätzlichen Informationen liefert. Zur Abgrenzung eines begleitenden Lymphödems wird ggf. an die Nuklearmedizin verwiesen, die Beeinträchtigungen des Lymphabflusses frühzeitig detektieren kann.

Zur Verlaufskontrolle sind regelmäßige Umfangs- und ggf. Volumenmessungen besser geeignet als das Wiegen. Viele dokumentieren den aktuellen Zustand anhand von Bildern – dies ist auch vor dem Hintergrund einer geplanten oder gewünschten Operation empfehlenswert.


OPERATION

Die OP (Liposuktion/ Fettabsaugung bei Lipödem) ist der Traum vieler Betroffener, um mit der Krankheit abzuschließen (davon „geheilt“ zu sein) oder sich einfach eine längere Verschnaufpause zu gönnen. Andererseits gibt es ebenso viele Frauen, die versuchen eine Operation so lange es geht durch einen geeigneten gesundheitsbewussten Lebensstil hinauszuzögern. Bei allen Frauen, die mir begegnet sind, besteht eine sehr große Angst allerdings davor, dass es zu einer weiteren Verschlechterung des Befundes kommen könnte – eine Angst, die ihnen meist auch nicht komplett durch eine Operation genommen werden kann.

Wenn eine Operation ins Auge gefasst wird, ergeben sich im Vorfeld leider nicht selten neue Stressoren wie lange Wartezeiten, hohe Kosten, die bei mehreren Operationen im fünfstelligen Bereich liegen, und die Hoffnung auf oder das Streiten um eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse.

Jede Operation ist ein Eingriff in die Integrität des Körpers. Es gibt viele hervorragende Operateure mit langjähriger Erfahrung, die ganz wunderbare Ergebnisse schaffen und häufig im Rahmen eines spezialisierten Zentrums arbeiten. Ich selbst habe in meiner früheren Praxistätigkeit assistieren dürfen. So konnte ich auch sehen, was die Patientinnen postoperativ bewegt – wie z.B. die sehr lange bestehenden Hämatome.


ENTSTAUUNG

Für diejenigen, die sich vorerst oder ausschließlich für eine konservative Behandlung entscheiden, gibt es die Möglichkeit, intensive Entstauungstherapien ambulant in der Praxis oder unter stationären Bedingungen in der Klinik in Anspruch zu nehmen. Diese Entstauungsphasen reduzieren zum Teil deutlich Schmerz und Schwellung und machen manchmal das Tragen von Kompressionsstrümpfen erst richtig möglich. Daneben entlastet eine Reha viele, und das nicht nur körperlich.


Egal, wie der eigene Weg aussieht, halte ich es für besonders wichtig, nicht in eine Opferrolle zu verfallen, sondern der Diagnose Lipödem die Macht zu entziehen, die sie über die weitere Lebensführung und das eigene Selbstverständnis hat – das ist mit Sicherheit eine lebenslange Herausforderung.

In meinen Augen braucht es ein Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Aspekte, um auf allen Ebenen zu einer Entlastung (an körperlichem und mentalem Gewicht) beizutragen.


GEISTESHALTUNG

Als essentiell sehe ich Routinen und den achtsamen Umgang mit dem eigenen Körper und den eigenen Ressourcen. Wenn man sich wirklich auf eine neue und bessere Stufe begeben möchte, wird man auch nicht am Hinterfragen der eigenen Glaubenssätze und Konzepte zum Thema Lipödem und ggf. auch Krankheit im Allgemeinen vorbei kommen. Wie viel Veränderung ist man tief im Inneren bereit selbst zuzulassen? Auch die Ängste der Frauen brauchen ein intensives Hinschauen, um transformiert zu werden.


ERNÄHRUNG

Ein bedeutender Eckpfeiler einer ganzheitlichen Begleitung bei Lipödem ist eine individuell an die Betroffenen angepasste Ernährung; denn nicht für Jede passt die gleiche Ernährungsform, ob es nun ketogen, lowcarb oder gar keine spezielle Diät ist. Neben einer Reduktion von Zucker ist es ebenfalls wichtig, alle Nährstoffe in ausgewogener Menge natürlich oder anfangs bei Mangel zusätzlich durch eine Nahrungsergänzung zuzuführen. Es ist durch Studien belegt, dass gerade bei Lipödem-Frauen viele Vitamine und Mineralstoffe nicht ausreichend vorhanden sind – eventuell sogar verstärkt durch den ständigen Versuch der Gewichtskontrolle. Bestimmte Blutwerte einmalig und ggf. im Verlauf ärztlich zu kontrollieren, kann daher sinnvoll sein.


HEILKRÄUTER

Daneben möchte ich daran erinnern, welchen Schatz die Natur mit Heilkräutern bereithält, die richtig genutzt, eine zusätzliche Unterstützung in einem ganzheitlichen Setting bringen können und ebenso als Hausmittel nach eigenem Bedarf angewendet werden können.


BEWEGUNG

Die Begeisterung für Bewegung bei Lipödem-Frauen zu fördern, ist das erklärte Ziel vieler auf Social Media aktiver Influencer, die häufig auch selbst vom Lipödem betroffen sind. Sie überzeugen vielfältig durch ihren selbstbestimmten Umgang mit der Erkrankung und ihre eigene positiv beeinflusste Geschichte.

Bewegung bedeutet eine zusätzliche Hilfestellung beim Lipödem – einerseits bezüglich der Schmerzen, andererseits bezüglich der Gewichtsentwicklung. Daneben wirkt sich sportliche Betätigung positiv auf das Körperbild aus. Zu beachten sind lediglich anatomische oder sonstige schmerzhafte Bewegungseinschränkungen oder eine Behinderung bei der Ausführung durch den Umfang des Fettgewebes.

Und natürlich darf auch Sport absolut typgerecht und individuell sein – die Eine liebt Gymnastik oder Krafttraining, die Andere geht lieber Schwimmen und eine Dritte hat das Trampolin Springen für sich entdeckt. Und selbst wenn kontrovers über Joggen oder Bewegungsarten mit Erschütterung und starken Kräften auf die Gelenke berichtet wird, kann es für eine Andere genau das Richtige sein. Es ist also schwer, allgemeine Ratschläge zu geben.

Meine Erfahrung bezüglich einer heilsamen Bewegung bei Lipödem gründet sich v.a. auf die Bedeutung der Faszien für ein schmerzfreies Bindegewebe. Dabei habe ich gerade Yin Yoga und Kundalini Yoga als großen Schatz kennengelernt, die beide sehr sanft Zug statt Druck auf die Faszien bringen und somit sogar mehr als eigene Heilarbeit denn als Sport zu verstehen sind.


KOMPRESSION

Daneben darf natürlich der essentielle Beitrag, den die Kompressionswäsche beim Management des Lipödems spielt, nicht vergessen werden. Vielen Frauen hilft sie sehr gut, so dass sie diese auch gerne und gerade bei heißeren Temperaturen tragen, an denen die Beinschmerzen so häufig zunehmen. Im Allgemeinen werden flachgestrickte Kompressionsstrümpfe nach Maß in Klasse II (bzw. I bis III) verschrieben; die Strümpfe können bis zur Kniekehle oder den Oberschenkeln gehen und werden teils in Kombination mit einer entsprechenden Capri- oder Radlerhose oder direkt als Strumpfhose oder Leggins getragen. Daneben gibt es Armstrümpfe, Handschuhe (auch nahtlos) oder andere Kompressionswäsche, die auf spezielle anatomische Besonderheiten Rücksicht nimmt. Hier gibt es mittlerweile eine große Vielfalt an Modellen und auch trendige Farben, die den Frauen ein gutes Gefühl und Freude am Tragen vermitteln. Als eine von mehreren deutschen Herstellern hat es sich die Firma Bauerfeind aus Zeulenroda zum erklärten Ziel gemacht, das Wohlbefinden beim Tragen der Kompressionswäsche zu steigern und die Frauen mit mutigen Farben zu empowern, ihre Körper mit Stolz nach Außen zu zeigen.


HAUTPFLEGE

Als Hautärztin möchte ich unbedingt noch auf die Bedeutung der Hautpflege hinweisen. Das tägliche und langfristige Tragen vom Kompressionsstrümpfen führt oft zu trockener schuppiger Haut, die dann sehr häufig auch jucken kann. Schnell besser wird es, wenn man entsprechend pflegende Cremes oder auch Pflegeschäume aufträgt – im Idealfall abends nach dem Ausziehen der Kompression. Mittlerweile gibt es zumindest im Rundstrick-Sortiment ins Strumpfmaterial eingearbeitete Pflegestoffe.


LYMPHDRAINAGE

Auch der unermüdliche Einsatz von Physiotherapeuten, die manuelle Lymphdrainage anbieten und der Ärzte, die ein Auge und Verständnis für die Erkrankung haben und Rezepte und Heilmittelverordnungen ausstellen, trägt seinen Teil zum Wohlbefinden der Lipödem-Frauen bei. Zwischen Physiotherapeut und Patientin entwickelt sich nicht selten ein ausgesprochenes Vertrauensverhältnis. Zwar kann ein Gerät zur Heimanwendung (apparative Lymphdrainage) eine wunderbare Ergänzung sein, aber in meinen Augen nicht die Kraft der therapeutischen Berührung ersetzen. Gleichzeitig ermöglicht die apparative intermittierende Kompression eine selbstbestimmte und von Terminen unabhängige Tagesplanung.


UNTERSTÜTZUNGSANGEBOTE

Ein neues Werkzeug, um sich im Alltag Unterstützung zu holen, sind Apps oder Angebote wie das der Firma Bauerfeind durch Fachvorträge, Organisation von Treffen und ein Online-Portal. Darin findet man Rezepte, Tipps sowie allgemeine Anregungen und kann sich mit Gleichgesinnten austauschen.


MEIN BEITRAG

Ich habe mich unter anderem auf die Begleitung von Frauen mit Lipödem im Rahmen eines ganzheitlichen Coachings spezialisiert. Ich kann durch ein einmaliges Impuls-Coaching neue Perspektiven eröffnen, natürlich aber auch längerfristig ganz individuell begleiten – sowohl Frauen, die einen Weg ohne Operation einschlagen möchten, als auch Frauen im Prozess der Operationsplanung und nachdem bereits eine Operation stattgefunden hat und die nun neue Verhaltens- und Denkmuster in ihr Leben integrieren möchten.



*dieser Blogartikel enthält KEINE bezahlte Werbung*


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